Wie ist Böhmisch Rixdorf entstanden?
Zur Zeit der Herrschaft der Habsburger in Böhmen und Mähren (16.-18. Jahrhundert) wurde Druck auf alle Christen ausgeübt, wie die Herrschaft katholisch zu sein bzw. zu werden. So entschlossen sich viele Böhmen (Mitglieder der „Böhmischen Brüder“, die evangelisch waren) – um der Verfolgung durch die Obrigkeit zu entgehen –, ihr Land heimlich durch Flucht zu verlassen, damit sie irgendwo ihren evangelischen Glauben leben konnten. Auf Grund der Vermittlung von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, der schon im Jahr 1722 mährischen (deutschsprachigen) Glaubensflüchtlingen Asyl gewährt und mit ihnen die Stadt Herrnhut (Oberlausitz) erbaut und 1727 die Herrnhuter Brüdergemeine (eine evangelische Freikirche) gegründet hatte, erklärte sich König Friedrich Wilhelm I. bereit, mehr als 1000 Exulanten in Berlin und Rixdorf aufzunehmen. Preußen war durch den 30-jährigen Krieg (1618-1648) entvölkert. So brauchte der König verlässliche Arbeitskräfte, denen er im Gegenzug freie Religionsausübung zusagte.
350 Exulanten fanden im Böhmischen Dorf eine neue Heimat. Der König schenkte ihnen 9 Doppelhäuser für 18 Familien. In den dazu gehörigen Scheunen befanden sich sogenannte Einliegerwohnungen für „Arbeitsmänner“ und ihre Familien. Er gewährte den Exulanten auf viele Jahre weitere Privilegien wie das Recht auf eigene Gerichtsbarkeit, ein eigenes Schulzenamt (Bürgermeisteramt), Befreiung vom Militärdienst und Steuerfreiheit.
Somit war 1737 das Böhmische Dorf entstanden. Die meisten Exulanten (Glaubensflüchtlinge) kamen aus der Gegend um Horní Čermná (Ostböhmen), mit deren Kreisstadt Ústí nad Orlicí der Bezirk Neukölln 1989 (noch zu kommunistischen Zeiten!) einen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen hat, der bis zum heutigen Tage gut und lebendig funktioniert. Seit 17 Jahren nimmt die Partnerstadt Ústí mit Unterstützung des Bezirksamtes Neukölln und des Förderkreises Böhmisches Dorf in Berlin-Neukölln e. V. (gegründet 1984) mit viel Freude und Engagement an dem alljährlichen wohltätigen Rixdorfer Weihnachtsmarkt teil. Im Jahr 2009 wurde der 20. Jahrestag des Partnerschaftsvertrages im Schloss Britz feierlich begangen.
Das denkmalgeschützte Haus Kirchgasse 5, in dem sich seit 2005 das „Museum im Böhmischen Dorf“ befindet, wurde 1753 erbaut als Schul- und Anstaltsgebäude, in dem sich in den ersten Jahren – bis zum Bau eines eigenen Kirchensaales einige Jahre später – auch der Kirchensaal der Herrnhuter Brüdergemeine befand. Es ist eines der wenigen Gebäude, das den Brand von 1849, der durch den Schuss auf einen auf einem Strohdach nistenden Storch ausgelöst wurde, überstanden hat.